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Qualitätskriterien für veganes Essen und Reisen

Einführung in die Thematik

Mangelhafte Rezeption veganer Ernährungskonzepte in Gastronomie und Rechtsprechung

Sowohl im Rechtsverkehr wie auch der forensischen Praxis zeigt sich, dass das erstarkende Phänomen veganer Ernährung und der wachsende Markt veganer Produkte zu Missverständnissen zwischen Angebot und Nachfrage führen, die eine rechtliche Aufarbeitung und insbesondere Rechtssicherheit für den veganen Konsumenten erfordern.

Das Gemüsezwiebelurteil

Ein Paradebespiel des Zusammentreffens zweier Welten ist das Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 26.01.2016 (AZ 5C 188/16), das sich damit beschäftigen musste, ob eintöniges veganes Essen aus Sicht der Reisenden dazu geeignet ist, den Reisepreis zu mindern.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Sachverhalt: Die Klägerin buchte bei der Beklagten für sich und ihre Tochter eine 20-tägige Kreuzfahrtreise von Hamburg über Grönland nach Kanada für 5.359 Euro pro Person. Die Klägerin und ihre Tochter ernähren sich vegan. Die Reisebestätigung besagte:

[3] „Der Veranstalter hat die vegane Kost nach Rücksprache mit dem Hoteldirektor der MS … bestätigt. Falls Sie spezielle Körner/Körnermischungen benötigen, sind diese selbst mitzubringen. Für besondere Wünsche setzen Sie sich bitte an Bord mit dem Hoteldirektor in Verbindung.“

Wegen einiger unglücklicher Streckenänderungen, aber auch wegen aus ihrer Sicht unzureichender Verpflegung erklärte die Klägerin vorgerichtlich die Minderung und verlangte von der Beklagten einen Teil des Reisepreises zurück. Insoweit führte sie u. a. aus:

[12] „Das zugesagte vegane Essen wurde eingehalten, allerdings war der Umfang im Restaurant auf Suppe, Hauptgericht und Nachtisch reduziert. Etwa 20 % der Mahlzeiten enthielten als Fleischersatz Tofu oder Getreidebratling und beschränkten sich somit überwiegend auf Gemüse und Kartoffeln etc. Insgesamt waren die Mahlzeiten schlecht gewürzt und überwiegend einfallslos und entsprachen nicht den Erwartungen an die MS … als Kreuzfahrtschiff mit gehobenem Preisniveau. Zum Abschluss-Galadiner… wurde uns im Restaurant eine Gemüsezwiebel mit derem kleingewürfeltem Inhalt als Hauptgericht serviert, was wir nach Rücksprache mit dem Maître in die Küche zurückgaben. Als Ersatz erhielten wir einen Gemüseteller.“

Die Klägerin bemängelt die dargebotenen veganen Speisen als sowohl in Quantität als auch Qualität minderwertig im Vergleich zu den Speisen der übrigen Gäste. Sie und ihre Tochter durften nicht wie die anderen Gäste aus einer Menükarte wählen, sondern es wurde ihnen nur jeweils ein einziges Gericht ihrer Menüfolge ohne Auswahlmöglichkeit angeboten. Als Hauptspeise wurden ihnen beispielsweise zwei aufgeschnittene Kartoffeln mit zwei Gemüsespießen, auf denen abwechselnd Zucchini und Paprika aufgespießt gewesen seien, serviert. Der Geburtstagskuchen für die Klägerin war ein mit Eiern und Butter zubereiteter Kuchen, den sie als Veganerin nicht essen konnte. An einem Abend wurde als Nachtisch eine aufgewärmte Kuvertüre gereicht (vgl. Rn. [15]).

Die Beklagte ist der Ansicht, als vegane Kost habe sie nur Speisen mittlerer Art und Güte geschuldet und diese Anforderung auch erfüllt.

Das Gericht zeigte wenig Verständnis für die Rechtposition der Klägerin.

Im Wesentlichen führte sie unter anderem Folgendes aus:

Da die Qualität der Kost nicht definiert worden sei, sei, wie bei allen Gattungsschulden, eine Qualität mittlerer Art und Güte geschuldet. Aus dem Reisepreis von über 5.000 Euro pro Person könne sich nichts anderes ergeben. Die Zubereitung veganer Speisen sei aufwändiger. Es läge in der Natur der Sache einer veganen Kost, dass das Speisenangebot nicht so vielfältig gestaltet sei wie bei einer traditionellen Ernährung ohne Ausschluss bestimmter Produkte. Kartoffelhälften mit Gemüsespießen entsprächen veganer Kost mittlerer Art und Güte. Auch eine Gemüsezwiebel habe diesen Anforderungen entsprochen, diese enthalte für die vegane Ernährung interessante vielfältige Biostoffe. Eine Auswahlmöglichkeit zwischen mehreren veganen Gerichten ließe sich dem vertraglichen Zusatz „der Veranstalter hat die vegane Kost bestätigt“ nicht entnehmen. Soweit die Klägerin bemängelt, ihr Geburtstagskuchen sei für eine Veganerin nicht geeignet gewesen, sei festzustellen, dass auf die Darreichung eines Geburtstagskuchens kein vertraglicher Anspruch bestanden hat. Dies sei unglücklich, aber kein Minderungsgrund.

Aus Sicht des veganen Konsumenten ist es immer wieder verstörend, für viele auch ärgerlich, mit welchen Stereotypen er in der omnivoren Gastronomie und in diesem Urteil auch in der Rechtsprechung konfrontiert wird.

Die Mutter hatte mit ihrer Tochter wohl ein besonderes Mutter-Tochter-Erlebnis geplant und eine Schiffsreise für über 5.000 Euro pro Person gebucht. Der Veranstalter hatte ihr veganes Essen zugesichert.

Wenn man so viel Geld investiert, erwartet man auch als Veganer in nachvollziehbarer Weise ein abwechslungsreiches und im Idealfall auch schmackhaftes Essen, bei dem man sich keine Gedanken über nicht-vegane Inhaltsstoffe machen muss.

Aus Sicht der Reisenden, die veganes Essen bzw. die vegane Reiseleistung als zugesicherte Eigenschaft buchen, wird man erwarten können, dass auch im Bereich dieser Reiseleistung allgemeine Standards gelten. Wenn zum Beispiel in einem Zwei-Sterne-Hotel erwartet werden kann, dass der Gast aus verschiedenen Gerichten und Menüs auswählen darf, so kann auch der vegane Reisende zwei Gerichte oder Menüs erwarten, wenn er einen veganen Zwei-Sterne-Standard gebucht hat.

Nach allgemeiner Verkehrsauffassung wird man die Buchung als 2 Sterne und vegan verstehen müssen. Ein Einverständnis, aufgrund der zusätzlichen veganen Ernährung einen geringeren Standard zu erhalten, kann nicht unterstellt werden.

Das Urteil leidet unter gravierenden Fehlern

Die Notwendigkeit der Definition veganer Reisestandards ergibt sich aus der bisherigen eklatant fehlerhaften Rechtsprechung, die sich Sachverstand anmaßt, ohne ihn zu haben.

Sachmängel bei veganen Restaurant- und Reiseverträgen

Der vegane Reiserechtsvertrag kann verschiedene Komponenten haben. Zum einen ist die Verpflegung mit rein veganen Produkten zu erwarten. Die zugesicherte Reiseeigenschaft kann sich aber auch auf andere Zusagen ausdehnen, wie zum Beispiel auf vegane Möbel und Bettwäsche, wenn der Kunde nicht in Ledermöbeln bzw. in Daunenbetten logieren möchte. Da wir uns in einem Rechtskreis der allgemeinen Vertragsfreiheit bewegen, können derartige Reiseeigenschaften zugesichert werden.

Wenn die zugesicherte Eigenschaft nicht erfüllt wird, besteht ein Mängelgewährleistungsanspruch. Hier gelten normale reiserechtliche Grundsätze. Es besteht aber offensichtlich ein Bedarf, Mängel der veganen Reise zu konkretisieren, damit der Konsument eine Minderungs- und Nachbesserungsmöglichkeit erhält.

Zu unterscheiden ist hier die Nichtleistung, also Fälle in denen der Konsument entgegen der Zusicherung keine vegane Nahrung oder kein veganes Umfeld erhält. Des Weiteren sind Fälle der Schlechtleistung zu betrachten, bei der insbesondere unterdurchschnittliches und eintöniges veganes Essens zu definieren ist.

Für Minderung und Nachbesserung braucht der Verbraucher rechtssichere Kriterien.

Die nachfolgenden Standards sollen hierfür eine Hilfestellung geben.

Hintergründe für die Standards und die Minderungstabelle:

Die Minderungstabelle richtet sich zum einen nach der Kemptener Tabelle und der Hamburger Tabelle, die für gängiges Essen Minderungskategorien vorsehen. Im Falle der Nichtleistung kann selbstverständlich, wie auch bei omnivorem Essen, gemindert werden.

Für die Ermittlung einer Schlechtleistung, also einer Leistung, die dem gesetzlichen Qualitätsanspruch der mittleren Art und Güte nicht entspricht, basiert diese Einschätzung auf den Qualitätskriterien, die die Gastronomie in der „Hotelstars Union” selbst entwickelt hat. Es handelt sich dabei um eine Vereinigung von Hotelverbänden aus den folgenden 17 Ländern: Deutschland, den Niederlanden, Österreich, Schweden, der Schweiz, Tschechien und Ungarn, Estland, Lettland und Litauen, Luxemburg, Malta, Griechenland, Belgien und Dänemark, Liechtenstein sowie Slowenien. Ihre Partnerschaft sorgt für ein vereinheitlichtes Hotelklassifizierungssystem in den Mitgliedsstaaten, das auf gemeinsamen Kriterien und Verfahren beruht.

Somit ist für die vorbezeichneten Länder ein objektiver Kriterienkatalog für die normale Leistung gegeben. Dieser musste nur noch in vegane Kategorien übertragen werden. Siegfried Kröpfl, veganer Haubenkoch und Ausbilder für vegane Köche, hat eine Übertragung dieser Qualitätskriterien auf die vegane Gastrospähre vorgenommen.

Wenn diese Kategorien nicht eingehalten sind, wird man nach hiesiger Auffassung einer minderungsbegründenden Schlechtleistung ausgehen können.

Diese Kriterien sehen wie folgt aus:

Standards für veganes Essen mittlerer Art und Güte:

Gasthaus:

In jedem Gasthaus sollte es möglich sein, Folgendes zu bekommen:

Eine Suppe, einen einfachen Salat, eine Hauptspeise. Dies kann sein: ein Nudelgericht, gebackenes Gemüse oder ein Risotto (die Speisen sollten auch die Regionalität widerspiegeln), verschiedene Aufstriche, ein Kuchen oder eine Creme.

Hotel,

3-Sterne-Kategorie:

Einfache Vorspeisen und Aufstriche und Salate, eine Cremesuppe (saisonal abgestimmt), mindestens 2 verschiedene Hauptspeisen, dies können Nudelgerichte, Risottos, Currys usw. sein. 2 verschiedene Desserts (als Creme oder Kuchen).

Frühstück:

Zum Frühstück sollten folgende Produkte angeboten werden: verschiedene Joghurts, Müsli, frische Früchte, Obst geschnitten, verschiedenes Gebäck, Marmeladen, Milchalternativen (mindestens 2 Sorten), 2 Aufstriche, pflanzliche Margarine (Alsan).

4-Sterne-Kategorie:

Frühstück:

2 verschiedene Milchalternativen, mindestens 2 verschiedene Joghurts, verschiedene Aufstriche, pflanzliche Margarine (Alsan), mindestens 2 verschiedene Marmeladen, Früchte geschnitten, Müsli, verschiedene Brotsorten, 2 verschiedene süße Produkte (wie Gugelhupf, Croissant oder Strudel), Käse-und Wurstalternativen, veganes Eiergericht

Mittagsessen:

Einfache Salate und Vorspeisen (Antipasti, Bulgursalat, Hirsesalat usw.), Suppe, mindestens 3 verschiedene Hauptgerichte (Nudelgerichte , Fleischalternativen, Currys, Eintöpfe, veganes Gulasch), Risottos, 3 verschiedene Desserts (Kuchen, Cremes, Eis, süße Knödel, Torte)

Kaffeepause:

Mindestens 2 verschiedene Kuchen oder Torten

Abendessen:

Es müssen mindestens 3 Vorspeisen oder Salate (kein gemischter Salat), eine Suppe, 3 verschiedene Hauptgerichte (Strudel pikant, Gemüsegröstel, Nudelgerichte, gebackenes Gemüse, Rostbraten-, Schnitzelalternativen), 2 hochwertige Desserts oder Dessertvariationen angeboten werden.

3,5-Sterne-Kategorie:

Frühstück:

Wie bei 4-Sterne-Kategorie, zusätzlich Käse- und Wurstalternativen

Mittagessen:

Zum Mittagessen sollte es mindestens 2 hochwertige Vorspeisen geben (zum Beispiel einen Salat mit Spargel oder Avocado), eine Suppe, mindestens 3 Hauptgerichte (wie Eintöpfe, Geschnetzeltes, Saftfleisch-Alternativen, Nudelgericht, Strudel usw.), mindestens 3 Desserts (aber kein alleinstehendes Eis oder Sorbet).

Abendessen:

3 hochwertige anspruchsvolle Vorspeisen-Kreationen, 2 verschiedene Suppen, mindestens 3 Hauptgerichte (hochwertig und regional), mindestens 3 Dessert-Kreationen (Sorbet und Eis nur in Verbindung mit Desserts),  5 [hier fehlt was]

Für alle gastronomischen Betriebe sollte es möglich sein, bei Getränken die folgende Auswahl anzubieten: Wein (weiß und rot), Fruchtsäfte und verschiedene Cocktails im Barbereich.

Minderungstabelle

Bei fehlendem veganem Essen wird man also in Analogie zu omnivorem Essen von einer 50-prozentigen Minderungsquote pro Reisetag ausgehen können, bei eintönigem Essen von der 15-prozentigen Minderungsquote der Kemptener Tabelle. Infolgedessen muss noch ermittelt werden, bei welcher Unterkunftskategorie Eintönigkeit bzw. unterdurchschnittliches Essen vorliegt.