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Anspruch auf veganes Essen in Kitas – Praxisfälle

Anspruch auf veganes Essen in Kitas – Praxisfälle

In den letzten sechs Monaten hatte ich drei Fälle auf meinem Schreibtisch, bei denen Eltern von veganen den Kindern verboten wurde selbst zubereitetes, veganes Essen, in die Kita zu bringen, damit dies dort aufgewärmt wird.

Anspruch auf die Bereitstellung von veganem Essen in Kitas

Die Argumente der Bürgermeister und Kitaleitungen in den sächsischen Gemeinden waren alle ähnlich. So wurde vorgetragen, es gäbe Rechtsprechung, nach der kein Anspruch auf die Bereitstellung von veganem Essen bestehe, ein Selbstversorgungsrecht bestünde nicht, hiergegen würden hygienische Gründe sprechen.

Zudem gab es auch noch befremdlichere Argumente, wie zum Beispiel dass vegane Ernährung ja selbst gewählt sei und nicht mit Ernährung vergleichbar sei die man aus gesundheitlichen Gründen benötige.

In allen Fällen konnte den Betroffenen geholfen werden. Da sich die Fälle häufen mache ich die Argumentationskette öffentlich.

Die Argumente waren wie folgt:

Ethischer Veganismus als Lebensstil oder Lebensweise steht unter Schutz von Art. 9 der europäischen Menschenrechtskonvention

Zunächst möchte ich Ihnen den allgemeinen rechtlichen Hintergrund und den Schutz der Rechtsordnung von Menschen, die sich aus ethischen Gründen vegan ernähren, näher bringen. Der ethische Veganismus wird als ein Lebensstil oder eine Lebensweise anerkannt, die unter den Schutz von Art. 9 der europäischen Menschenrechtskonvention als Weltanschauung (belief) fällt.

In seiner Entscheidung aus dem Jahre 1993 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte anerkannt, dass die Entscheidung, sich aus ethischen Gründen vegan zu ernähren bzw. vegan zu konsumieren, schützenswert ist und vom Schutzbereich des Art. 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention umfasst ist. ( H v. UK (1993) 16 EHRR CD 44)
Seitdem hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mehrfach betont, dass der Schutz von Tieren durch Menschen respektiert und seinerseits rechtlich geschützt wird.

In der Entscheidung aus dem Jahr 2013 hat der EuGH dies erneut, nunmehr, da es sich um einen Fall im Rechtsraum der Bundesrepublik Deutschland handelte, unter besonderer Berücksichtigung von Art. 20 a des Grundgesetzes bestätigt. Art. 20 a GG, der als Staatsziel das Tierwohl bestimmt, ermöglicht es jedem Menschen seine Sphären unter Berücksichtigung des Tierwohls frei von staatlicher Einschränkung auszuleben. ( H. v. Germany application no. 9300/07 )

Veganismus unter dem  Schutz von Art. 4 des Grundgesetzes der Glaubens, Gewissens und Weltanschauungsfreiheit

Menschen, die sich aufgrund ihrer ethischen oder religiösen Orientierung dafür entschieden haben keine tierischen Produkte zu konsumieren, fallen zudem unter den Schutz von Art. 4 des Grundgesetzes der Glaubens, Gewissens und Weltanschauungsfreiheit.
Der Staat ist zu den in Zusammenhang mit der Versorgung von Kindern in Schule und Kindertagesstätten verpflichtet, dem Neutralitätsgebot zu entsprechen. Auch das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz schützt Menschen vor Diskriminierung aufgrund ihrer Weltanschauung.

Der ethische Veganismus ist eine Weltanschauung im Sinne der europäischen Menschenrechtskonvention und daher auch als Weltanschauung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, welches eine europäische Antidiskriminierungsrichtlinie umgesetzt hat, anzusehen.

Was die Rechtswidrigkeit der Verweigerung veganes Essen zur Verfügung zu stellen anbelangt gilt folgendes:

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zuletzt Aktenzeichen (III ZR 126 15) ist der Kita Betreuungsvertrag ein dauerndes Dienstverhältnis.
Die Weigerung diese Leistung auch zukünftig zu erbringen fällt zudem unter den Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes und ist dort als Diskriminierung aufgrund einer Weltanschauung zu thematisieren.
In diesem Zusammenhang fordere ich Sie auf, mir Ihren AGG-Beauftragten mitzuteilen, da ich dort eine Beschwerde erwäge. Sollte mir der AGG-Beauftragte nicht mitgeteilt werden, werde ich auf Mitteilung des AGG Beauftragten klagen müssen.

Sollten Sie die Selbstversorgung weiter behindern, werde ich auch auf Bereitstellung der Leistung klagen. Im behalte mir dann auch vor, Schadensersatzansprüche geltend zu machen.
Ich weise darauf hin, dass es meiner Mandanten ausschließlich darum geht, dass Ihr Kinder eine warme Mahlzeit bekommt. Während bei anderen Kindern, zum Beispiel den Kindern die unter einer Allergie leiden, viel Aufwand betrieben wird, sind meine Mandanten es offensichtlich nicht wert, dass man eine extra von der Mutter mit viel Aufwand dem Wochenplan angepasste, vorbereitete Mahlzeit aufwärmt. Es handelt sich hier um einen minimalen Aufwand.

Aktuelle Rechtsprechung

Mittlerweile gibt es zu dem Thema auch schon Rechtsprechung, die Sie in meinem Buch „Vegan im Recht“ oder in dem Blog von PETA „Veganes Recht „, oder in öffentlich zugänglichen Quellen nachlesen können.
Die Frage, ob eine Schule oder Kindertagesstätte die Zubereitung von veganem Essen schuldet, ist umstritten.

Derzeit ist eine Verfassungsbeschwerde vom Bundesverfassungsgericht zur Prüfung dieser wichtigen Rechtsfrage angenommen worden. Bislang haben alle Gerichte, die die Pflicht des Staates zur Bereitstellung von veganem Essen
anzweifeln, jedoch zum Ausdruck gebracht, dass das Selbstversorgungsrecht der Betroffenen gewährleistet sein muss.
Diesen Mindeststandard verweigern Sie. Dies ist für mich überraschend und ich hoffe, dass wir hier ohne ein Gerichtsverfahren eine unbürokratische Lösung für das verständliche Bedürfnis meiner Mandantin finden können.

Dies ist in einem vergleichbaren Fall bei der Gemeinde Lampertswalde, wie Sie aus der PETA-Pressemitteilung, die Sie im Internet zu dem Thema finden können, gelungen.
Das Aufwärmen in einer Mikrowelle, die von der Mutter bereitgestellt würde, stellt einen äußerst geringen organisatorischen Aufwand dar, der im Rahmen des Selbstversorgungsrechtes geschuldet ist.
Vor diesem Hintergrund ist die Bereitstellung der Aufwärmmöglichkeit im Rahmen der Selbstversorgung auch bei dem betroffenen Kind geschuldet.

Was die hygienischen Standards anbelangt, so konnte ein Bürgermeister damit überzeugt werden, dass die Eltern die Haftung für die von ihnen eingebrachten Speisen übernehmen.

Ein anderer Weg hat sich in einem neuen Fall ergeben: dort schreibt die Kitaleitung selber folgendes:
„Nach Rücksprache mit dem Gesundheitsamt sind die Lebensmittel zu beschriften. Es muss gewährleistet werden, dass die Kühlkette nicht unterbrochen wird. Für das mitgebrachte Essen wird keine Haftung übernommen.“
Das bedeutet, dass auch das Gesundheitsamt mit der Selbstversorgung im Hinblick auf die Lebensmittelhygiene einverstanden ist.

Selbstversorgungsrecht veganer Eltern

Veganen Eltern wird daher empfohlen, ihr Selbstversorgungsrecht durchzusetzen. Hierbei kann auf die vorbezeichneten Argumente verwiesen werden.

Ralf Müller-Amenitsch, Rechtsanwalt